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Vorsicht... Diagnose !

Der Begriff Diagnose stammt von "Dia Gnosis" und bedeutet "durch und durch erkennen". Richtige Diagnosen wie in der Notfall-Chirurgie oder Akutmedizin zeugen von ärztlichen Fertigkeiten und können Leben retten. Wie ist jedoch der Stellenwert einer Diagnose, wenn sie keine Heilung sondern lediglich eine Beobachtung von Zuständen bedeutet. Dies ist bei den meisten chronischen Krankheiten der Fall. Müsste nicht hier ein neuer Begriff eingeführt werden, die Agnose, oder das fehlende Erkennen? Agnosen haben ihre Präzision und üblichen therapeutischen Konsequenzen verloren. Hat sich die Agnose "verankert", wird die Erkrankung kaum mehr hinterfragt. Wie Manfred Porkert dies pointiert formuliert hat, sind solche Diagnosen "Stoptafeln des Denkens". Die Folge ist der Einstieg in die symptomatische Behandlung (reine Rezepturpraxis) bis hin zu der Deklaration von psychosomatischen Komponenten. Damit werden weitere therapeutische Möglichkeiten vereitelt, und die Sicht der Dinge wird eher getrübt als erhellt. Bedeutet Diagnose Hoffnung, gesellen sich zu den zahlreicher vorkommenden Agnosen Angst und Einbusse an Lebensqualität. Diese Situation wird der Gesundheit und dem Immunsystem nur weiter schaden. Ein Teufelskreis? Erfolgt hier keine klare Führung, beginnt die selbständige verzweifelte Suche nach Heilversprechen, was heute auch durch die Eingabe seiner "Diagnose" ins Internet bedenklich erleichtert wird. An Stelle der erhofften Therapieoffenbarungen gesellt sich für den nicht medizinisch Geschulten Verwirrung, Enttäuschung und Resignation. Zudem haben chronisch Kranke das Bedürfnis, ihr Leiden (=Diagnose) mit anderen zu teilen. Diese Solidarität kann einerseits trösten, andererseits jemanden auf Grund anderer Schicksalsmeldungen in die Hoffnungslosigkeit bis hin zum Suizid treiben.


Gerade bei den chronischen Krankheiten, wo die Patienten die meiste Zuwendung benötigen, bewirkt die Agnose just das Gegenteil. Die Agnose ignoriert zudem unsere biologische Einmaligkeit und individuelle Vergangenheit, obwohl je länger eine Krankheit gedauert hat, umso mehr prägen sie sich gegenseitig. Es sind komplexe Geschehen, die genau so vielfältig behandelt werden müssen. In einer Medizin, welche die unendliche Komplexität unseres Daseins miteinbezieht, verliert die Diagnose ihre Existenzberechtigung. An deren Stelle tritt die Notwendigkeit, die Betroffenen in Ihrer Gesamtpersönlichkeit und individuellen Vergangenheit möglichst akribisch zu erfassen. Hier gilt es nicht, eine Diagnose zu stellen, sondern möglichst viele Belastungsfaktoren zu beseitigen. Und mit etwas Glück wird der Körper wieder in die Lage versetzt, auf Wegen, die uns und unseren Messmethoden verborgen bleiben werden, die Situation wieder zu seinen Gunsten zu verändern im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe.

Agnosen, die nur dazu dienen, eine Person lebenslang zu begleiten und sich symptomatisch behandeln zu lassen, sollten demnach vielmehr als Resignation den inneren Auftrag einläuten:
Gib dich trotz deiner "Diagnose" niemals auf.

Vitaswiss, Zeitschrift "Bisch Zwäg"
2004
Dr. med. John van Limburg Stirum

Leserbrief

 
M.S aus N.

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